Heinz Dannenberg

Wir wohnten zu dieser Zeit im Haus der damaligen Bäckerei Lüpcke an der Stammestrasse. An Hochwasser waren wir Ricklinger ja gewohnt, aber diese Wassermassen, die über uns hereinströmten, waren unbeschreiblich. Wir haben die Brote aus der Backstube geholt und aus dem Fenster des ersten Stockes an die mit Booten oder Flößen vorbeifahrenden Ricklinger verteilt.

Dem Erfindungsreichtum, um sich durch das Wasser zu bewegen, waren keine Grenzen gesetzt. Selbst ein Schrank vom Edelhof schwamm umgekippt an uns vorbei. Auf Lebensmittelmarkten haben wir bei der Verteilung der Brote gar nicht geachtet. Die Kohlen und Briketts mussten in den zweiten Stock gebracht werden. Keller und Erdgeschoss waren mit gelbem Schlick überflutet.

Ich kann mich auch noch gut an die Strudel erinnern, die sich in der Pfarrstraße bildeten. Mindestens genau so schlimm wie die Wasser- und Schlamm-Massen, die unsere Wohnungen für Monate unbewohnbar machten, war aber auch die Lebensmittelknappheit. Damals durfte nur ein Schwein geschlachtet werden.

Heute schmunzelt man bei den Erzählungen von dem Schlachtschwein mit zwei Köpfen und vier Nieren; damals war es Wirklichkeit und bitterer Ernst, um zu überleben. Irgendwie haben wir es aber geschafft, wir sind zusammengerückt und haben uns gegenseitig geholfen, ohne nach einer Gegenleistung zu fragen.

Text & Foto aus: 50 Jahre Ricklinger Deich 1954 - 2004
Deichgrafen-Collegium Ricklingen, 01. Februar 2004

Aktualisiert: 11.01.2005