Karl Seehause: Wie ich das Hochwasser im Februar 1946 erlebt habe

Ich bin zwar kein gebürtiger Ricklinger und es sind auch schon 58 Jahre her, aber dennoch erinnere ich mich an gewisse Einzelheiten der Hochwasser-Katastrophe, die im Februar 1946 das "Dorf Ricklingen" heimsuchte.

Es war die Zeit, als Teile des Dorfes Ricklingen - vor allem der Edelhof und diverse Gebäude an der Beekestraße und an der Stammestrasse seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges von militärischen Einheiten der britischen Besatzungstruppen besetzt waren. Dieser Einheit war ich (selbst Ende Mai 1945 aus US-Internierung entlassen) als Dolmetscher und Übersetzer zugeteilt. Mein Büro, also mein Arbeitsplatz, befand sich im Balkonzimmer des Hauses Beekestr. Nr. 86. Mein Wohnsitz befand sich in Hannover-Kleefeld, aber mit Hilfe des mir durch die britische Einheit zur Verfügung gestellten Motorrades (DKW) erreichte ich problemlos jeden Morgen meinen Arbeitsplatz.
Nicht ganz problemlos war dies am 10. Februar 1946, da Teile des Dorfes bereits unter Wasser standen. Riesige Wassermassen wälzten sich permanent aus dem Leine- und Ihmebereich auf das Dorf zu, was die britische Besatzungstruppe dazu zwang, schnellstens die Truppenunterkünfte zu räumen und die auf dem Edelhof geparkten Fahrzeuge abzuziehen. (Mein Dienst-Motorrad war zwischenzeitlich "abgesoffen". Gegen die Naturgewalten und gegen die mit dem Hochwasser verbundenen Leiden für die Ricklinger Bevölkerung waren selbst die Besatzungstruppen damals machtlos.

Mit dem letzten Panzerfahrzeug der Truppe - meine Aktentasche mit den geretteten Papieren und dem "Tagebuch" unter dem Arm geklemmt - konnte ich am Nachmittag den inzwischen völlig überfluteten Bereich des Dorfes Ricklingen verlassen. Das schwere Fahrzeug durchrauschte die Beekestraße und den ebenfalls völlig überfluteten Ricklinger Stadtweg, während ich oben auf dem Fahrzeug hockte. Am Goetheplatz sprang ich vom Fahrzeug ab und konnte dann trockenen Fußes meinen Weg fortsetzen.

Das von mir geführte und eingangs bereits erwähnte "Tagebuch" wurde auf meinen Antrag hin von der britischen Behörde Anfang 1982 freigegeben. Das Aktenmaterial sowie das Tagebuch habe ich im Februar 1982 dem damaligen Leiter des Ricklinger Freizeitheimes, Herrn Hans-Georg Dullinger, übergeben zwecks weiterer Verwendung im Zusammenhang mit der geplanten Festwoche der Arbeitsgemeinschaft Ricklinger Vereine. Das "Tagebuch", in dem sich treffend die damalige Situation Ricklingens widerspiegelt, wurde damals mit anderen Erinnerungsstücken im Freizeitheim Ricklingen unter Glas ausgestellt.

Aus: 50 Jahre Ricklinger Deich 1954 - 2004
Deichgrafen-Collegium Ricklingen, 01. Februar 2004

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Aktualisiert: 11.01.2005