|
||||
Rolf Siegmund: Erinnerungen an schwierige TageHochwasser waren und sind in den "Ricklinger Maschwiesen" mit der Leine und Beeke (Ihme) im Frühjahr (nach den Schneeschmelzen im Harz) und auch sonst nach starken Niederschlägen nichts Besonderes. So auch in den Februartagen des Jahres 1946. Am Abend des 9. Februar 1946 stand das bis dahin "normale" Hochwasser" bis in die Düsternstraße hinein. Etwa bis zu den heute noch zusehenden, in einer Mauer befindlichen Resten einer Steinbarriere mit (drei ca. 5 cm Rillen, 90 cm hoch), die früher zur Aufnahme der Holzbohlen als Wasserschutz dienten. Am Morgen des 10. Februar`46 bot sich den Anwohnern der Stammestraße schon ein komplett anderes Bild.
Der Wrampenhof, das Pfarrhaus der Gemeinde, der Bauerhof von Gustav Flachsbart und der heutige Nölkehof waren mehr oder weniger vom Wasser eingeschlossen, und das Wasser stieg beängstigend schnell. Die Bergung all dieser Gegenstände wurde von den Müttern und Kindern, so weit möglich durchgeführt bis ihnen das Wasser brusthoch stand, und nichts mehr ging. Um die Mittagszeit des 10.Februar`46 war es schon nicht mehr möglich trockenen Fußes z.B. am Ricklinger Stadtweg, noch dringend benötigte Lebensmittel wie z. B. Milch für Kinder ect. einzukaufen. Den morgens zu ihrer "Arbeit" gefahrenen oder zu Fuß gegangenen Bewohnern des großflächig überfluteten hannoverschen Stadtteils Ricklingen erwarteten am Abend eine Menge Probleme. Von der Innenstadt kommend war am Schwarzen Bär, d.h. vor der Ihmebrücke Schluss. Die Brücke war überspült und die Bahnen fuhren in Folge dessen nicht mehr bis Ricklingen. Auf dem folgenden Fußmarsch über die Deisterstraße zur Göttinger- Chaussee und dann in die heimischen Gefilde bis zum Stadtweg, Dannenbergstraße und zur Nordfeldstraße, gab es nicht nur nasse Füße, sondern die gelbbraune Flut stand einigen der Heimkehrer bis zur Brust. Einige von ihnen standen mit der Aktentasche über dem Kopf vor der Haustür. Sie wurden hier und da von
den Mitbewohnern in die Parterrefenster gezogen. Der nächste Tag, mit etwas Sonnenschein, zeigte dann das ganze Ausmaß der Überschwemmung. Eine Seenlandschaft, gelbbraunes Wasser wohin das Auge sah. Vom Kolonialwarenladen Karl Benseler, an der Ecke Dannenbergstraße/ Nordfeldstraße waren nur wenige Zentimeter der Schaufensterscheiben zu sehen, jegliches Grün, Büsche und Sträucher waren in den Fluten versunken. Zäune, Tore und Mauern waren einfach nicht mehr "vorhanden". Die "Teppichklopfstangen" auf den Höfen (min. 2.20 m hoch) waren ca. 30 cm überspült. Die zu dieser Zeit auf fast allen Höfen aufgestellten Kaninchen und Hühnerställe waren überspült oder dümpelten im Wasser. Die Tiere waren, soweit es möglich war, auf den Böden der Häuser oder in die Wohnungen evakuiert worden. Die Verpflegung der eingeschlossenen Bewohner Ricklingens wurde von der Feuerwehr mit Booten durchgeführt, wobei besonders die Kleinkinder, alte Leute und Kranke mit Milch, Brot und Medikamenten versorgt wurden (soweit diese überhaupt in der Stadt zu bekommen waren). Die Gaszufuhr, die durch das Hochwasser und auch durch die Kriegsfolgen unterbrochen war, trug dazu bei, das durch die Kohleöfen in den Küchen und den Wohnzimmern, (zumindest in den Küchen) etwas Wärme erzeugt und auch warme Mahlzeiten hergestellt werden konnten. Der Umstand, keine (fast keine) Zentralheizungen in den Häusern zu haben, war aus heutiger Sicht ein Segen. (Der Ausfall von Gas, Öl, Elektrizität, Fernwärme etc. als Energieträger wäre heute eine zusätzliche Katastrophe.) Das Ende des 2. Weltkrieges mit seinen Sorgen und Entbehrungen waren noch nicht vergessen. Das Aufräumen nach der Flut brachte das ganze Ausmaß der Zerstörung zu Tage. Die durch Wasser, Schlamm und Morast unbrauchbar gewordenen Vorräte und der Verlust anderer mehr oder weniger wertvollen Gegenstände brachte den Menschen erneut schweres Leid und Kummer. Die Schäden an den Häusern, die verbleibende Feuchtigkeit in und an Gebäuden waren so erheblich, das auch nach Wochen, Monaten und sogar Jahren die Spuren dieser Katastrophe zu sehen waren. Der im Jahr 1953 abgeschlossene Deichbau, mit dem Stahltor an der Düsternstraße, hat sich bis heute als sicherer Schutz gegen die jährlich wiederkehrenden Hochwasser bewährt. Aus: 50 Jahre Ricklinger Deich 1954 - 2004 Weiter: Ursula Bangemann & Rudi Weiß: Hochwasser-Erlebnisse im gemeinsamen Wohnhaus Stammestraße 44 Aktualisiert: 11.01.2005 |
||||
|